Alta Badia ist das perfekte Urlaubsziel, „Alta Badia ist die größte Fülle wertvoller Genussmomente in den Bergen.“ Unser Bestreben ist es, uns von anderen Urlaubsorten abzuheben – weil wir mit Leidenschaft arbeiten, weil wir unsere Kultur haben, unsere Werte. All die schönen Worte in unseren Hochglanzprospekten versprechen das. Stimmt ja auch: Wir haben eine hochklassige Hotellerie zu bieten. Und klar, wir wollen immer noch besser werden. Aber ich fürchte, das reicht alles nicht. Eine gute Absicht, wie Herodot wusste, ist noch lange keine gute Tat. Und so rufe ich mittlerweile unsere Gäste, die sich auf die schöne Traumwelt aus unseren Prospekten freuen, dazu auf, nicht im August zu uns zu kommen, und eigentlich auch nicht im Juli und an ziemlich vielen anderen Sommertagen, an denen um die Sella herum das absolute Chaos tobt. Ich bin schon fast soweit, diesen Gästen stattdessen die wunderschönen Dolomiten von Belluno zu empfehlen oder vielleicht sogar die sardischen Dolomiten, die sogar viel älter sind als die unseren. Doch dann komme ich wieder zur Vernunft, denn mir ist ja sehr wohl bewusst, selbst meinen Teil Verantwortung an dem Schlamassel zu tragen: Ich, wir alle, sind Tourismusunternehmer und tragen konkret dazu bei, unser wunderbares Stück Erde zu ruinieren und es der Nachwelt weniger schön zu hinterlassen, als wir selbst es in Empfang genommen haben.

Alex Langer, dieser kluge und weitsichtige Südtiroler Politiker, hat uns vor seinem frühen Tod vor 26 Jahren dazu aufgerufen, für das Richtige weiterzukämpfen. Heute weiß ich, dass ich meine Schlachten besser hätte schlagen können. Die Schlacht um die wenigstens teilweise Schließung der Dolomitenpässe. Die Schlacht gegen die Lichtverschmutzung selbst in kleinsten Dörfern. Die gegen die Sponsoren, die die Entwicklung unserer Gemeinden bedrohen und viele andere mehr. Doch diese Schlachten habe ich verloren, oder vielleicht darf ich auch sagen: Wir als Gemeinschaft haben sie verloren. Was zählt, sind ja auch nicht so sehr meine persönlichen Niederlagen, sondern die Einsicht, dass die Hoffnung auf das „Gute und das Schöne“ Platonischer Prägung reinste Utopie ist. Ich habe die Auseinandersetzung um die Dolomitenpässe verloren – gewonnen haben Motorräder und Arroganz. Auch meine Vorstellung von einem dezent illuminierten Bergdorf hat sich nicht durchgesetzt; gewonnen haben Leuchtwerbung und Neonlichter, von denen die durchkommenden Touristen förmlich geblendet werden. Und schon vor 20 Jahren hatte ich verloren, als ich von einem Ortszentrum ohne durchbretternden Schwerverkehr träumte.

Auch die Schlacht von Antersasc habe ich verloren. Es war nicht das wichtigste aller Scharmützel, nur ein weiteres in einer ganzen Reihe von Niederlagen. Ich respektiere das Urteil des Staatsrats, der schließlich dem Bauern Recht gab, der auf einer Straße und auf dem Bau einer Vier-Sterne-Berghütte auf einem der letzten unberührten Flecken unseres Tals bestanden hatte. Ich respektiere übrigens alle Urteile, denn Urteile zu fällen, ist der Job der Richter, und den machen sie – in Kenntnis der Sache – gut. Leid tut es mir trotzdem, denn das Antersasc-Tal war das letzte, zu dem keine asphaltierte Straße hochführte. Es war ein von der Zeit vergessener Ort, ein Ort, der verschont geblieben war vom hektischen Getöse unserer Gegenwart. Aber ich will den Teufel nicht an die Wand malen. Der Bauer hat den Fall vor Gericht gewonnen und hat nun das Recht, eine Straße zu bauen. Vielleicht aber – und das bleibt meine letzte Hoffnung – macht er aus der verlassenen Almhütte etwas Sinnvolles. Vielleicht bringt er Schafe hoch, macht guten Käse und errichtet womöglich sogar nie die gefürchtete Vier-Sterne-Berghütte. Ich hoffe es für uns, die wir hier leben; ich hoffe es aber auch für ihn selbst: Wenn er ein vernünftiger Mann ist, dann wird er einen Weg finden, die Alm ohne große Exzesse wiederzubeleben. Und dann haben wir vielleicht alle etwas davon.

Ganz ähnliche Überlegungen habe ich mir zu den Alpinski-Weltmeisterschaften in Alta Badia 2029 gemacht. Auch in diesem Fall würde eine rein ideologisch motivierte Opposition, die auf einer intakten Natur bei uns im Tal basiert, vermutlich als Provinzialität oder, schlimmer noch, als Kirchturmdenken geschmäht. Zu der mit der WM – wenn es sie denn geben sollte – einhergehenden Umweltzerstörung würde es ja dennoch kommen, und so richtig tröstlich wäre es nicht für uns zu wissen, dass die neuen Pisten und Lifte nur einen Katzensprung von uns entfernt auf der anderen Seite des Grödner Jochs gebaut werden. Wie wäre es also, wenn wir uns mit unseren ladinischen Brüdern und Schwestern zusammentun würden, statt zu streiten und Gräben zwischen uns aufzuwerfen? Dergleichen ist uns ja schon mit Dolomiti Superski gelungen, der unsere Täler nicht nur symbolisch miteinander verbindet. Oder mit der Maratona dles Dolomites, die uns gezeigt hat, dass wir eine gute Idee sehr wohl mit Grödnern und Ampezzanern teilen können. Wäre es denn nicht eine feine Sache für uns Ladiner, künftig viel mehr solcher gemeinsamen kulturellen, sozialen, ökonomischen und Umweltprojekte zu schaffen? Davon bin ich fest überzeugt! Ich finde sogar, dass wir das Thema noch wesentlich breiter aufstellen und eine homogenere wirtschaftliche Entwicklung für ganz Ladinien anstreben könnten. Livinallongo zum Beispiel würde mit Sicherheit davon profitieren. Es würde dort die Landflucht aus Dörfern aufgehalten, die weniger Glück hatten als die in unserem Tal, weil sie unternehmerisch weniger aktiv waren oder auch schlicht, weil sie von der Region Veneto oder der Provinz Belluno weniger Subventionen bekamen.

Wäre ich ein Tetrarch, dann nähme ich Gäste auf, würde aber gleichzeitig zu verhindern wissen, dass sie sich gegenseitig tottreten. Auch was die WM betrifft, möchte ich mich also nicht mit hohlen Umweltschutzphrasen aufhalten. Ich würde ja sagen zur WM, unter der Bedingung, dass sie nicht noch mehr Landfraß zur Folge hat. Ja zur WM unter der Bedingung, dass die Dolomitenpässe zu bestimmten Stunden am Tag für den motorisierten Verkehr geschlossen werden. Ja zur WM unter der Bedingung, dass lärmenden Motorrädern und Sportwägen, die über die Sella-Pässe röhren, bedingungslos ein Riegel vorgeschoben wird. Ja zur WM, wenn anlässlich der Weltmeisterschaften der Radweg von Kolfuschg nach Sankt Lorenzen gebaut wird. Und wo wir schon dabei sind, sollten die Gemeinden von Alta Badia auch gleich per Bahn oder Seilbahn mit Bruneck verbunden werden. Unseren Verwaltungsbeamten sage ich ganz offen: Wollt ihr das nicht? Wisst ihr nicht, ob ihr es wollt? Wollt ihr Zeit schinden? Fehlt euch der Mut? Wie auch immer: Wenn auch nur einer der genannten Bedingungen nicht erfüllt wird, sage ich nein zur WM.

Lieber Tourismus-Landesrat, du würdest in Dantes Vorhölle bei den mutlosen Phlegmatikern enden, die sich nicht trauen. Und du, lieber Präsident des Hotelier- und Gastwirteverbands, würdest dich ein paar Etagen tiefer in bester Gesellschaft finden. Euer Vergehen ist nicht mal so die moralische Inkonsequenz, sondern die Ahnungslosigkeit. Weil ihr keine Ahnung habt, weil ihr nicht in der Lage seid, der Branche die richtige Richtung vorzugeben. Es fehlt euch einfach an der nötigen Kultur. Wir alle müssen uns bemühen, die richtigen Ideen und Prinzipien zu finden, ausgehend natürlich von guten philosophischen Überlegungen. Wir müssen uns die richtigen Fragen stellen. Wir müssen begreifen, dass es keinen ökonomischen Fortschritt ohne kulturellen Fortschritt geben kann. Und wir müssen die Kultur dafür schätzen, dass sie die notwendige Voraussetzung ist für alles Gute, was wir zu erreichen trachten – im öffentlichen wie im privaten Bereich.

Ich bin aber kein Tetrarch, und daher beschränke ich mich darauf, die Vertreter unserer Gemeinschaft zum gemeinsamen Dialog aufzurufen, zum gemeinsamen Planen, zu einer gemeinsamen guten Politik, wie sie sich die alten Griechen vorgestellt haben. „Wenn du haben willst, was du nie zuvor gehabt hast, musst du tun, was du nie zuvor getan hast“, wusste Thomas Jefferson, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika. Kriegen wir das hin in unserer kleinen Welt? Mehr denn je ist jetzt der Moment, mutige Entscheidungen zu treffen und für Konzepte und Ideen zu stimmen, die weit über unsere (autofreien) Pässe hinausreichen und neue, weite Horizonte erreichen, die in jenes wunderbare Licht getaucht sind, dass allein aus Wissen kommt.